Bestimmt hast Du schon mal vom Beckenboden gehört und weisst, dass er sich „irgendwo da unten“ befindet 😊 Wahrscheinlich hast Du aber erst während Deiner Schwangerschaft angefangen, Dich mit dem Thema auseinander zu setzen und deshalb viele offene Fragen.

Mir ging es ganz genauso. Als Yogalehrerin war mir der Beckenboden (~ Mula Bandha) natürlich bekannt. Aber so richtig hatte ich nie verstanden, was er überhaupt ist, wozu er da ist und warum er in der Schwangerschaft plötzlich so wichtig ist. Mittlerweile ist der Beckenboden eines meiner Lieblingsthemen geworden, da er so bedeutsam für die Gesundheit und leider oft ein Tabuthema ist.

In diesem Artikel beantworte ich Dir die wichtigsten Fragen rund um das Thema Beckenboden in der Schwangerschaft, gebe Dir hilfreiche Tipps und Übungen.

#1 Was ist der Beckenboden?

Um mit dem Beckenboden arbeiten zu können, hat es mir sehr geholfen, genau zu wissen, wie er aufgebaut ist. Deshalb gibt es jetzt erst mal einen kurzen Anatomieunterricht:  Der Beckenboden ist nicht nur ein Muskel, sondern ein Geflecht aus drei übereinander gelagerten Muskelschichten und Bindegewebe. Er befindet sich im kleinen Becken und schließt die Bauchhöhle nach unten ab. Jede Muskelschicht hat ihre eigene Funktion. 

Beckenbodentraining in der Schwangerschaft
Die drei Muskelschichten im Becken

Die innere Schicht ist wie eine kleine Schale geformt, die Dein kleines Becken komplett nach unten abschließt. Sie ist die größte und stabilste Schicht undträgt das Gewicht von Gebärmutter, Darm und Harnblase. Während der Schwangerschaft muss sie zusätzlich das Gewicht Deines Baby, des Fruchtwassers, der Plazenta sowie der größeren und schwereren Gebärmutter tragen. Bis zur Geburt sind das zusammen ungefähr sechs Kilogramm. Außerdem ist die innere Schicht maßgeblich für die Aufrichtung der Wirbelsäule verantwortlich und gibt Deinem Körper so Stabilität. Auch diese Funktion muss verstärkt werden wenn Du schwanger bist, denn durch den immer größer werdenden Babybauch verändert sich Dein Körperschwerpunkt.  

Beckenbodentraining in der Schwangerschaft
Die innerste Muskelschicht

Die mittlere Schicht spannt sich wie ein Fächer quer zwischen Deinen Sitzhöckern auf. Sie liegt im vorderen Bereich Deines Beckens unterhalb Deiner Blase. 

Beckenbodentraining in der Schwangerschaft
Die mittlere Muskelschicht

Die äußerste Schicht sieht aus wie die Zahl 8 und umschließt die Körperöffnungen Anus, Vagina und Harnröhre. Du kannst sie Dir vorstellen wie eine Hängematte, die von deinem Schambein bis zu Deinem Steißbein reicht. Du entspannst sie mehrmals täglich bewusst, um Deine Blase oder Darm zu entleeren.(1)

Beckenbodentraining in der Schwangerschaft
Die äußere Muskelschicht

#2 Soll man den Beckenboden in der Schwangerschaft trainieren?

Kurz und knapp: Ja! Dein Beckenboden ist in der Zeit Deiner Schwangerschaft starken Belastungen ausgesetzt (siehe #1). Du solltest ihm deshalb ganz besondere Beachtung schenken und trainieren, um schwangerschaftsbedingten Beschwerden und daraus resultierende Spätfolgen vorzubeugen. Achte beim Training immer darauf, dass Du Kraft und Flexibilität der Beckenbodenmuskulatur zugleich trainierst. Beide Eigenschaften sind gleichermaßen wichtig und sollten immer gemeinsam gestärkt werden, um deinen Beckenboden elastisch zu halten 

  • Aktivierende Übungen zur Stärkung der Muskulatur und Förderung der  Durchblutung. 
  • Entspannende Übungen zum bewussten Loslassen und Weiten der Muskulatur, damit sie sich für die Geburt öffnen kann.

Du hast keine Ahnung
wo Dein Beckenboden ist?

Lerne jetzt, ihn zu erspüren
mit meinem kostenlosen

Beckenboden Training

#3 Warum ist Beckenbodentraining in der Schwangerschaft wichtig?

Eine Schwangerschaft ist eine große Herausforderung für den weiblichen Körper. Oft kommt es deshalb zu Schwangerschaftsbeschwerden, für die nicht selten ein schwacher Beckenboden verantwortlich ist. Hierzu zählt vor allem die Harninkontinenz. Darunter versteht man den unwillkürlichen Abgang von Urin beim Niesen, Hüpfen oder ähnlichen Belastungen. Ursache dafür ist die steigende Belastung der Muskulatur durch das Baby, Fruchtwasser, Placenta etc. Gleichzeitig wird das Gewebe durch das Hormon Progesteron allerdings weicher. 17% – 54% der Schwangeren leiden an einer Harninkontinenz (2), aber nur ein Drittel dieser Frauen sprechen das Problem bei einem Arzt an (3). Viele Frauen sehen es leider als normal an, an Inkontinenz zu leiden, während sie schwanger sind. Das ist definitiv nicht so! „Ein intakter Beckenboden verhindert die Senkung der Beckenorgane und ist […] verantwortlich für den Erhalt der urethralen und analen Kontinenz“, schreiben die Gynäkologen K. Schneider, Husslein und H. Schneider (4) und bekräftigt damit die Wichtigkeit von gutem Beckenbodentraining in der Schwangerschaft. 

Oft verschwindet die Inkontinenz auch nicht nach der Entbindung. Jede dritte Frau leidet nach der Geburt an Harninkontinenz (5), die bei 76% dieser Frauen auch 12 Jahre später noch besteht (6). Das ist ein massiver Einschnitt in die Lebensqualität und kann verhindert werden. Des weiteren können Schmerzen im unteren Rücken, an denen 50% aller Schwangeren leiden (7) von einer schwachen Beckenbodenmuskulatur herrühren, denn sie ist maßgeblich für die Aufrichtung der Wirbelsäule zuständig.

#4 Wie oft darf ich Beckenbodentraining in der Schwangerschaft machen?

Du darfst die Muskeln Deines Beckenbodens gerne jederzeit in der Schwangerschaft trainieren. Sie tun Deinem Körper in jedem Trimester gut, auch kurz vor der Geburt. Das Training kann isoliert geschehen oder über funktionales Training, wie z.B. Schwangerschaftyoga Wichtig dabei ist, dass Du Deine Muskulatur immer gleichermaßen anspannst und entspannst, wie unter #2 beschrieben. Außerdem solltest Du beim Anspannen kein „Bodybuilding“ des Beckenbodens betreiben, sondern die Anstrengung moderat halten. Studien zeigen, dass eine mäßige und regelmäßige Trainings-Intensität eine Inkontinenz am besten vermeiden kann.(8) 

#5 Wie kann ich Beckenboden Verspannungen lösen in der Schwangerschaft?

Der Beckenboden kann in der Schwangerschaft auch verspannen, denn er erfährt während dieser Zeit eine erhebliche Belastung durch das zusätzliche Gewicht des Babys, der Gebärmutter uvm.  

Hier sind drei effektive Möglichkeiten zur Entspannung des Beckenbodens:

  1. Lockernde Dehnübungen: Bestimmte Yoga-Übungen wie der Schmetterlingssitz (Baddha Konasana) helfen, die Spannung im Beckenboden zu lösen. Besonders effektiv ist das „Loslassen“ in einer tiefen Hocke, da diese Position das Becken öffnet und die Muskulatur dehnt.
  2. Wärme: Ein warmes Bad, eine sanfte Massage im unteren Rücken oder ein warmes Kirschkernkissen auf dem Kreuzbeinbereich können ebenfalls helfen, Verspannungen zu lösen.
  3. Faszienmassage mit einem Ball: Eine sanfte Selbstmassage mit einem Faszienball kann helfen, Verspannungen im Beckenbodenbereich zu lösen. Setze dich dafür auf eine weiche Unterlage und platziere einen kleinen, weichen Faszienball oder Tennisball unter einem deiner Sitzbeinhöcker. Lehne dich leicht nach vorne und lasse dein Körpergewicht sanft auf den Ball sinken. Bewege dein Becken in kleinen kreisenden Bewegungen, um verklebte Faszien und verspannte Muskeln zu lockern. Wiederhole dies für einige Minuten auf jeder Seite. Diese Übung kann besonders hilfreich sein, wenn du oft ein Gefühl von Spannung oder Druck im Beckenbereich verspürst.

#6 Was passiert während der Geburt mit dem Beckenboden?

Während der Geburt muss Deine Beckenbodenmuskulatur kurzzeitig ihre Funktionen „Halten und Stabilisieren“ aufgeben. Die rhythmischen Kontraktionen der Gebärmutter schieben Dein Baby nach unten. Sein Köpfchen drückt dann stark auf Deinen Beckenboden und die zuvor kleinen Öffnungen im Muskelgeflecht müssen sich stark dehnen und weit werden, um Deinem Baby den Weg durch den Geburtskanal zu ermöglichen. Das Hormon Progesteron, das sich während der Schwangerschaft in hoher Konzentration in Deinem Körper befindet, unterstützt diesen Vorgang. Es sorgt schon lange vor der Geburt dafür, dass Dein Körpergewebe sich lockert und weicher wird. Gutes Training Deines Beckenbodens kann die Geburt ebenfalls erleichtern, indem der Beckenboden gezielt entspannt und elastisch gehalten wird.

Fit und entspannt durch die Schwangerschaft!

Yoga für Schwangere Onlinekurs

Deine Krankenkasse zahlt!

#7 Beckenboden Übungen in der Schwangerschaft

Übung 1: Der Baum

Der Baum (Vrikshasana) ist eine meiner Lieblingshaltungen in der Schwangerschaft, da sie eine Balanceübung ist. Immer wenn Du nur auf einem Bein stehst, muss Dein Beckenboden sich gut aktivieren, um Dich in der Balance zu halten. Du musst Dich also gar nicht bemühen, Deinen Beckenboden zu aktivieren. Das passiert von ganz alleine.

Und keine Sorge: Du darfst Dich jederzeit an einer Wand oder einem Stuhl abstützen!

  1. Finde Deinen Stand: Stelle Dich aufrecht hin, die Füße etwa hüftbreit auseinander. Spüre, wie Deine Fußsohlen den Boden berühren, und verteile Dein Gewicht gleichmäßig.
  2. Verlagere Dein Gewicht: Hebe langsam Dein rechtes Bein an und setze den Fuß entweder an den Knöchel, die Wade oder den inneren Oberschenkel Deines linken Beins. Achte darauf, das Knie zu vermeiden.
  3. Hände ins Herz bringen: Bringe die Handflächen vor der Brust zusammen oder strecke die Arme sanft nach oben. Fixiere einen Punkt vor Dir – das hilft Dir, die Balance zu halten.
  4. Atme und genieße: Atme tief und ruhig, spüre die Aufrichtung und Stabilität und eventuell auch die Aktivität in Deinem Beckenboden. Halte die Position für 10 – 20 Atemzüge.
  5. Lösen & Seitenwechsel: Senke langsam das Bein, spüre kurz nach und schüttle die Beine bei Bedarf aus. Wiederhole die Übung anschließend auf der anderen Seite.

Falls Dein Gleichgewicht Dich im Stich lässt – kein Problem! Setze den Fuß einfach tiefer ab oder stütze Dich an der Wand ab. Es geht nicht um Perfektion, sondern darum, Dich in Deinem Körper wohlzufühlen. 

Übung 2: Katze-Kuh mit Beckenbodenfokus

Diese einfache aber effektive Bewegungsabfolge hilft, Deinen Beckenboden gleichzeitig zu aktivieren und zu entspannen.

  1. Komme in den Vierfüßlerstand, die Hände unter den Schultern, die Knie unter den Hüften.
  2. Beginne mit der Katze-Kuh-Übung, indem Du beim Einatmen Deinen Rücken sanft durchhängst (Kuh-Position) und beim Ausatmen Deinen Rücken rund machst (Katze-Position).
  3. Füge nun bewusst eine kleine Aktivierung Deines Beckenbodens hinzu: Beim Ausatmen ziehst Du den Beckenboden sanft nach oben und innen, beim Einatmen lässt Du ihn locker.

Diese Übung fördert außerdem die Mobilität der Wirbelsäule und hilf Verspannungen im Rücken zu lösen. 

Übung 3: Die Blüte

Um den Beckenboden isoliert anzusprechen und so ein besseres Bewusstsein für die Muskulatur zu schaffen, bietet es sich an, mit Visualisierungen zu arbeiten. Diese Bilder können Dir auch während der Geburt helfen, Deinen Beckenboden bewusst zu entspanne.

  1. Finde einen bequemen Sitz
  2. Stelle Dir vor, dass sich eine schöne, große Blüte in Deinem Beckenboden befindet
  3. Mit der Ausatmung öffnen sich die Blütenblätter weit nach außen auf
  4. Mit der Einatmung ziehen sie sich wieder sanft in die Mitte zusammen

Halte diese Visualisierung für 10 – 20 Atemzüge präsent und spüre die Entspannung in Deinem Beckenboden.

Fazit

Ich hoffe, ich konnte mit diesem Artikel den Beckenboden aus seiner Tabuzone befreien.  So viele meiner Freundinnen litten oder leiden immer noch an Begleiterscheinungen eines schwachen Beckenbodens. Sie können nicht herzhaft lachen oder mit den Kindern um die Wette laufen und das kann mit dem richtigen Wissen um die Beckenbodenmuskulatur verhindert werden.  

Je mehr Frauen darüber sprechen und ihr Wissen austauschen, desto besser. Ich kann Dir deshalb nur empfehlen, Dich frühzeitig mit diesem wunderbaren Teil Deines Körpers auseinander zu setzen und gut für Dich zu sorgen mit richtigem und kontinuierlichem Training. Nimm Dir täglich einige Minuten Zeit für Dich und Deinen Beckenboden.  

Übrigens: In meinem Online Yogakurs Yoga für Schwangere gibt es Beckenbodenübungen in jedem Kurs! So schaffst Du die besten Voraussetzungen für eine entspannte Schwangerschaft und Geburt. Von der postnatalen Zeit mal ganz abgesehen 😉 

Dir hat der Artikel gefallen? Dann freue ich mich, wenn Du ihn mit Freundinnen teilst. 

Deine

Unterschrift

Referenzen

(1) Die Geburtshilfe, Karl-Theo M. Schneider, Peter Husslein, Henning Schneider, 2015, 5. Auflage, Seite 840 f.

(2) Die Geburtshilfe, Karl-Theo M. Schneider, Peter Husslein, Henning Schneider, 2015, 5. Auflage, Seite 852

(3) Lenzen-Schulte, Martina,  Deutsches Ärzteblatt 2020; 117(42): A-1982 / B-1683, Aufruf  22.09.2022

(4) Die Geburtshilfe, Karl-Theo M. Schneider, Peter Husslein, Henning Schneider, 2015, 5. Auflage, Seite 840

(5)  David H. Thom,Guri Rortveit, Prevalence of postpartum urinary incontinence: a systematic review, 5.1.2011, Aufruf 22.09.2022

(6) C. MacArthur et.al., Urinary incontinence persisting after childbirth: extent, delivery history, and effects in a 12–year longitudinal cohort study, 2.4.2015, Aufruf 22.09.2022

(7) Hebammen-Gesundheitswissen für Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach, Silvia Höfer, Nora Szász, 2012, Seite 83

(8) Die Geburtshilfe, Karl-Theo M. Schneider, Peter Husslein, Henning Schneider, 2015, 5. Auflage, Seite 852

Leave A Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert